Donnerstag, 31. Januar 2002

Wünsdorf - die Bücherstadt / Wohnpark Vogelsang

Bücherstadt Wünsdorf
Fast 100 Jahre war Wünsdorf - im südlichen Berliner Umland gelegen - Garnisonsstandort. In der Weimarer Republik stand hier die Reichswehr unter Waffen. Die Nationalsozialisten bauten Bunker und Kasernen ins Gelände. Wenige Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen wurde am 26. August 1939 das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres in die Bunkeranlage Maybach I verlegt. Bis zum April 1945 kamen von hier, von der Nachrichtenzentrale Zeppelin,
die Befehle zu den deutschen Truppen.

Nach Kriegsende bezog der militärische Führungsstab des sowjetischen Marschall Shukows in Wünsdorf Quartier. 1953 nimmt das Oberkommando der »Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland stationiert« hier seinen endgültigen Sitz. 30.000 russische Soldaten waren hier stationiert.

Bücherstadt Wünsdorf
Seit 1974 befand sich in Wünsdorf die militärische Luftsicherheitszentrale, in der bis 1990 sowjetische Militärs mit Offizieren der DDR-Armee, ab der deutschen Wiedervereinigung mit Offizieren der Bundesluftwaffe, zusammenarbeiteten. Die Russen machten aus Wünsdorf den strategisch wichtigsten Standort des Ostblocks in Westeuropa und planten hier den 68er Einmarsch in die CSSR. 1994 hinterliess das Militär eine Geisterstadt inmitten einer idyllischen Waldlandschaft. Wünsdorfs militärische Geschichte ging zu Ende.

Die Militärstadt war streng bewachte Tabuzone. Auch als Wünsdorf nach dem Abzug der russischen Truppen zur Geisterstadt wurde, war der Zugang wegen militärischer Altlasten noch lange Zeit gesperrt. Das wurde erst anders, als vom Land Brandenburg beschlossen wurde, Teile der Landesverwaltung hierhin auszulagern, und ehemalige Kasernen zu Wohnhäusern umzubauen. Die Landesregierung stellte die Weichen zur Nutzung als Verwaltungszentrum und als Wohnpark. Mehr als 260 ha verdächtige Fläche mussten abgesucht werden, 98.300 Stück Munition und 47.000 Stück sonstige Kampfmittel zusammen mit 29,3 Tonnen Munitionsschrott und weiteren Bomben- und Waffenteilen wurden entsorgt. 45.000 qm Haus- und Sperrmüll (das entspricht einem Müllberg von 7 Metern Höhe und der Größe eines Fußballfeldes) wurden abtransportiert; hinzu kamen tonnenweise Chemikalien, Altöle, Altfarben, Altreifen, Akkumulatoren sowie Asbestabfälle.

Bücherstadt

In den Jahren seit dem Abzug der russischen Armee entwickelt sich wieder ziviles Leben im einstigen Militärsperrgebiet. Am 12. September 1998 öffnete das Projekt Bücherstadt im Wünsdorfer Ortsteil Waldstadt seine Pforten. Bücherlager lösen die Militärarsenale ab. Nun gestalten Antiquare, Historiker und Künstler Deutschlands erste Bücherstadt. (www.buecherstadt.com)

Mit sechs antiquarischen Buchhändlern, Garnisonsmuseum, Restaurant und Teestübchen (sehr empfehlenswert!!!) in zwei aufwendig sanierten Gebäuden ging es an den Start. Das "Motorradmuseum an der B96" bezog im Sommer 2000 einen der ehemaligen Kaiserlichen Pferdeställe. In einem weiteren Pferdestall ist das Garnisonsmuseum (www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de) untergebracht.

Haus der Geschichte und der Bücher

Das ehemalige Badehaus wurde als erstes Gebäude für die Bücherstadt eingerichtet.


Banja, 1935 als Badehaus gebaut
Banja, 1935 als Badehaus gebaut

heute Haus I (Haus der Geschichte und der Bücher) der Bücherstadt
heute Haus I (Haus der Geschichte und der Bücher) der Bücherstadt

Im »Haus der Geschichte und der Bücher« erhält der Besucher einen Einblick in das damalige Leben. Im Dachgeschoss des Haus I befindet sich eine Ausstellung zum Thema »Russischer Soldatenalltag«. Veranschaulicht mit Uniformen und militärischen Ausrüstungen, wurde hier die Wohnsituation von Soldaten und Offizieren, ihre Freizeitgestaltung, das Leben der Offiziersfamilien mit ihren Kindern und vieles mehr dokumentiert.

Im Erdgeschoss sind einige Antiquariate mit zahlreichen Büchern zu finden.

Wohnpark Vogelsang


Wohnpark Vogelsang
Wohnpark VogelsangAls das Projekt "Wohnpark Vogelsang" aufgelegt wurde, waren die "Würfelhäuser" noch grau. Der Putz löste sich in Fladen und bei Wind prasselten die Dachziegel herunter. Heute haben sich die heruntergekommenen Gebäude zu einer modernen Wohnanlage inmitten einer Parklandschaft gemausert.


Luftschutzturm
Luftschutztürme
Noch immer ist Wünsdorf geheimnisumwittert. Zwischen den modernisierten Wohnanlagen ragen die spitzen Luftschutztürme auf, Symbole der Geschichte des Ortes. Insgesamt 19 Luftschutztürme der Bauart "Winkel" entstanden zwischen 1938 und 1941 bei Zossen/Wünsdorf.

>> Bericht Stammlager Zossen

Kurzchronik Wünsdorf

  • 1910: Eröffnung der Infanterieschule. Damit wurde Wünsdorf militärischer Standort. Zusätzlich standen dem Militär das an Wünsdorf und Zossen angrenzende 6000 Hektar grosse Wald- und Seengebiet zur Verfügung.
  • 1913  Einrichtung des Fernsprech- und Telegrafenamtes.´
  • 1914 Einrichtung eines internationalen Kriegsgefangenenlagers mit 14.000 Insassen und Bau einer Moschee für die moslemischen Gefangenen
  • 1914-1916 Bau der Militärturnanstalt, später umbenannt in Lehrgang für Leibesübungen (ab 1919), Heeressportschule (ab 1934) und Haus der Offiziere (ab 1955).
  • 1933/34: In den Vorkriegsjahren entstand ein großes Fernmeldezentrum, das den organisatorischen und technischen Mittelpunkt eines ganz Deutschland umspannenden Fernmeldenetzes bildete.
  • 1935-1936: Bau der Waldsiedlung für Angestellte und Arbeiter der Wehrmacht. Es entstehen Wohnungen für 200 Familien.
  • 1937 Bau eines Heeresverpflegungsamtes und einer Heeresbäckerei.
  • 1937-1939 Bau der Bunkeranlagen Maybach I für das Hauptquartier des Oberkommando des Heeres und des Generalstabes.
  • 26.08.1939 Wenige Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen wurde das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres in die Bunkeranlage Maybach I verlegt - der Nachrichtenbunker Zeppelin ging in Betrieb. Bis zum April 1945 kamen von hier, von der Nachrichtenzentrale Zeppelin, die Befehle zu den deutschen Truppen.
  • 1940 Eine zweite Bunkersiedlung Maybach II entstand nach Ausbruch des Krieges und war im Frühsommer 1940 bezugsfertig.
  • 15.03.1945 Dritter und schwerster Bombenabwurf auf Wünsdorf, bei dem 120 Menschen ums Leben kamen und zahlreiche Häuser zerstört bzw. beschädigt wurden. In nur 78 Minuten gingen mehr als 6000 Bomben nieder.
  • 20./21.04.1945 Einmarsch sowjetischer Truppen.
  • 1947 Dem Potsdamer Abkommen folgend wurden die Bunkeranlagen nach der Demontage der technischen Ausrüstungen 1947 gesprengt (Amt 500, Maybach I und II und der größte Teil des Luftschutztürme), um sie für eine weitere militärische Nutzung unbrauchbar zu machen.
  • März 1953: Räumung der Wohnungen und Geschäfte ostwärts der Bahnlinie und Sperrung der F 96 als Durchgangsstrasse. Umsiedelung von etwa 800 Wünsdorfern. In Wünsdorf wird das Oberkommando der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte stationiert.
  • 1957: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges erinnert sich das Oberkomando der GSSD der nicht geglückten Sprennung des Zeppelin-Bunkers. Nachdem das Grundwasser abgepumpt, die Sprengstellen notdürftig geflickt, nicht benötigte Räume zugemauert und die Wände des Kernbauwerks verstärkt wurden, wird die Kommandozentrale RANET hier eingerichtet.
  • 22.10.1971: Um die Luftsicherheit über der DDR zu garantieren, wird am 22. Oktober 1971 in Wünsdorf die "Vereinigte Hauptzentrale 14" (LUKO) gegründet, die die Flüge der Sowjetarmee, der Nationalen Volksarmee und der Zivilluftfahrt zu koordinieren hat.
  • 1974 Seit 1974 befand sich in Wünsdorf die militärische Luftsicherheitszentrale, in der bis 1990 sowjetische Militärs mit Offizieren der DDR-Armee, ab der deutschen Wiedervereinigung mit Offizieren der Bundesluftwaffe, zusammenarbeiteten.
  • 01.05.1977 Eröffnung des Bahnhofs für sowjetische Militärangehörige (Gleis 16). über einen 1.926 Kilometer langen Schienenweg ist Wünsdorf mit Moskau verbunden. Es verkehrt ein Zug täglich.
  • 1990 Am 3. Oktober 1990 übernimmt die Bundeswehr das Kommando - sowjetische und Bundeswehroffiziere arbeiten auf sowjetischem Territorium zusammen. Freigabe der ehemaligen Stasi-Objekte in der Seestrasse und am Sapherschen Weg für eine gastronomische sowie soziale Nutzung.
  • September 1994 Die letzten russischen Militärangehörigen verlassen Wünsdorf. Damit wurde die fast 90-jährige Militärgeschichte beendet. Das 590 Hektar grosse Gelände der ehemaligen Garnison wird vom Land Brandenburg übernommen.
  • 1995 Gründung der Entwicklungsgesellschaft Waldstadt Wünsdorf/Zehrensdorf mbH mit dem Auftrag, die Liegenschaften der ehemaligen Garnison zu vermarkten bzw. einer zivilen Nutzung zuzuführen. Das auf dem Areal der Gemarkung Zehrensdorf liegende Garnisonsgelände erhält den Namen Waldstadt. Die Waldstadt ist das größte Konversionsgebiet Deutschlands.
  • 12.09.1998 Gründung der ersten Bücherstadt Deutschlands und des Garnisonsmuseum Wünsdorf.

Letzte Aktualisierung: August 2002 - © Anke Schlingemann und Detlef Hälker

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